15. Juli 2010 Bärbel Beuermann

»Wir sind im Landtag, nicht im Kindergarten«

Bärbel Beuermann, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW

Linke: Es gab erste Verhandlungen mit SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen. Gespräch mit Bärbel Beuermann, Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Das Interview erschien erstmalig am 15. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt. Das Gespräch führte Gitta Düperthal.


Die Linke NRW hatte sich entschlossen, den Wechsel zur SPD-Grünen-Minderheitsregierung zu unterstützen und »Schwarz-Gelb« abzuwählen. Zunächst hieß es in Presseberichten, Ihre Fraktion wollte sich bei der Wahl Hannelore Krafts (SPD) zur Ministerpräsidentin komplett enthalten – dann jedoch, man würde im zweiten Wahlgang mit Ja stimmen. Was ist nun richtig?

Wir haben klar gesagt, wir nehmen den Auftrag unseres Landesparteitages, der am vergangenen Wochenende in Leverkusen stattfand, ernst und werden uns enthalten. Die andere Version wurde von Medien kolportiert.

Also haben Journalisten falsch berichtet?

Solche Berichte mögen mitunter lanciert gewesen sein, um Unsicherheiten zu schüren und einen Keil in unsere Fraktion zu treiben.

Warum haben Sie diese Minderheitsregierung mit Hannelore Kraft an der Spitze angestrebt?

Wenn wir uns den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen anschauen, sieht das nach einem besseren Weg für NRW aus – obgleich das Papier Schwächen hat. Daß wir am Mittwoch durch unsere Enthaltung dafür gesorgt haben, daß Frau Kraft zur Ministerpräsidentin wurde, ist kein Blankoscheck für unsere Zustimmung zu allen Anträgen, die SPD und Grüne einbringen werden. Wir werden jeden einzelnen prüfen, ob er mit unserem Programm übereinstimmt und die Situation der Menschen in NRW verbessert.

Was erwarten Sie von der neuen Regierung?

Wir wollen vor allem die Bildungspolitik voranbringen und die Studiengebühren abschaffen. Ein Gesetzesantrag dazu, den wir mit den Studierenden diskutiert haben, liegt vor. Wir erwarten, daß er beschlossen wird. Mit SPD und Grünen haben wir ein weiteres Vorhaben grundsätzlich gemeinsam: längeres gemeinsames Lernen in der Schule. Dabei gibt es aber einen Schwachpunkt im Koalitionsvertrag. Wir wollen dies von der ersten bis zur zehnten Klasse, SPD und Grüne befürworten nur, daß die Schüler bis zur sechsten Klasse zusammenbleiben – dann soll die Selektion beginnen. Außerdem ist vorgesehen, daß laut dem Vertrag die Eltern in NRW entscheiden, welche Schulformen vor Ort angeboten werden. Damit schiebt man ihnen den Schwarzen Peter zu. Mutiger, auch gegenüber der Opposition, wäre es, wenn SPD und Grüne gleich gesagt hätten: »eine Schule für alle«. Auch wenn wir uns den Energiesektor anschauen, fehlt Mut zu klaren Entscheidungen: SPD und Grüne setzen auf die Gerichte, statt die Abschaltung des Kohlekraftwerks Datteln zu beschließen.

Ist das Verhältnis zwischen der neu gekürten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der Partei Die Linke tatsächlich so unterkühlt, wie die bürgerliche Presse berichtet?

Für die anderen Parteien ist neu, daß jetzt fünf Parteien im nordrhein-westfälischen Landtag sind. Sicherlich gab es Distanz, als bekannt wurde, daß wir einziehen wollen. Die Linke in NRW wurde als »Hort des Wahnsinns« bezeichnet. Mit unserer Arbeit konnten wir aber nachweisen, daß das nicht stimmt.

Steht die neue sozialdemokratische Ministerpräsidentin – ähnlich wie damals ihre Genossin Andrea Ypsilanti in Hessen – unter Druck, mit der Partei Die Linke kein Wort zu wechseln?

Wir sind im Landtag nicht im Kindergarten. Es gibt einen normalen Umgang miteinander, auch wenn wir unterschiedliche Positionen haben. Ob Hannelore Kraft unter Druck steht, müssen Sie sie selbst fragen.

Also müssen die Grünen nicht Mittler spielen wie einst in Hessen? Dort hatten sie Nachrichten zwischen der SPD und der Linken hin- und hergetragen, weil SPD-Landtagsabgeordnete sich nicht öffentlich mit ihren Kollegen von der Linken sehen lassen wollten.

Nein. Es haben sogar zu einzelnen Themen erste Verhandlungen von SPD und Grünen mit uns stattgefunden.

An welchen von SPD und Grünen geplanten Vorhaben werden Sie sich auf keinen Fall beteiligen?

Wir haben deutlich gemacht, daß wir weder einem Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst noch Sparmaßnahmen im sozialen Bereich zustimmen werden – und auch keiner Privatisierung von öffentlichem Eigentum.


Das Interview erschien erstmalig am 15. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt. Das Gespräch führte Gitta Düperthal.