3. November 2010 Wolfgang Zimmermann

»Wir hätten keine Angst vor Neuwahlen«

Wolfgang Zimmermann, Fraktionsvorsitzender (DIE LINKE)

Linkspartei in NRW fordert Verbesserungen am Nachtragshaushalt von SPD und Grünen. Gespräch mit Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW. Das Interview erschien erstmalig am 3. November 2011 in der Tageszeitung junge Welt. Das Gespräch führte Peter Wolter.


Der Landesrat der nordrhein-westfälischen Linkspartei hat am Montag darüber beraten, wie sich ihre Landtagsfraktion zum Nachtragshaushalt der Landesregierung stellen soll. Bleibt sie bei ihrer unnachgiebigen Haltung?

Die Entscheidung der Fraktion wurde bestätigt, daß dem Haushaltsentwurf so nicht zugestimmt werden kann. Nachbesserungen sind nötig, und deswegen sollten SPD und Grüne mit uns reden.

Welche Kompromißlinien wären denkbar?

Es geht im Moment noch gar nicht um Kompromisse – es geht um Gespräche, zu denen bisher weder SPD noch Grüne bereit waren. Wir warten also auf ein entsprechendes Signal. Wir haben mehrfach deutlichgemacht, in welchen Bereichen wir Nachbesserungsbedarf sehen: Etwa die Abschaffung der Studiengebühren nicht erst zum Wintersemester 2011, sondern spätestens zum Sommersemester. Oder die Einstellung von 200 Betriebs- und Steuerprüfern, die der Landesfinanzminister schon angekündigt hatte, die aber im Entwurf des Nachtragshaushaltes gar nicht mehr auftauchen. Oder die Förderung der Frauenhäuser. Und dann bemängeln wir, daß 1,3 Milliarden Euro zusätzlich als Bürgschaft für die marode Bank WestLB bereitgestellt werden sollen. In all diesen Punkten haben wir Diskussionsbedarf.

Bisher hat aber keiner der beiden Koalitionspartner sich bereit gezeigt, überhaupt mit der Linkspartei zu reden.

Es gab ein kleines, eher informelles Signal: Im Rahmen eines Gesprächs der Vorsitzenden der drei Fraktionen zum Thema Verfassungsschutzbeobachtung könnte auch über den Nachtragshaushalt geredet werden. In den Ausschüssen des Landtages wird außerdem über jeden einzelnen Posten des Entwurfs gesprochen.

Gestern, nur einen Tag nach dem Landesrat, hat die Fraktion Besuch aus Berlin bekommen. Ist die Bundesgeschäftsführerin Caren Lay begeistert davon, daß Ihre Fraktion nicht nachgiebiger ist?

Ihr Besuch hatte nichts mit der Sitzung des Landesrates zu tun, er war schon seit längerem angesagt. Sie ist ja auch recht neu im Amt und bereist alle Landtagsfraktionen, um sich dort vorzustellen. Das Treffen hatte also mit der aktuellen Situation in NRW nichts zu tun. Das wäre ja auch unlogisch – am Samstag hatte ich noch in der Sitzung des Parteivorstandes erläutert, wie unser Landesverband und die Fraktion zum Nachtragshaushalt stehen. Mein Bericht wurde zustimmend zur Kenntnis genommen, es gab keinen Widerspruch.

SPD und Grüne, die ja gemeinsam die Landesregierung stellen, sind die einzigen Parteien, die nach bisherigen Umfragen von Neuwahlen profitieren würden. Ein Scheitern des Nachtragshaushaltes könnte ihnen durchaus willkommen sein, weil dann neu gewählt werden müßte.

Führende Grüne spielen in der Tat mit dem Gedanken, daß Neuwahlen für sie positiv wären. Das ist ja auch verständlich, weil sich ihre Umfrageergebnisse stabil bei etwa 20 Prozent halten. Sie sollten aber vorsichtig sein – Stimmungen sind noch lange keine Stimmen! Die SPD allerdings hat nach meinen Informationen zur Zeit kein Interesse an Neuwahlen, was wohl damit zu tun hat, daß sie Angst davor hat, in einer neuen Regierung nicht mehr ganz so stark vertreten zu sein. In den Umfragen steht die SPD gar nicht so gut da – ihr Anteil stagniert oder geht sogar zurück.

Neuwahlen wären aber auch ein Risiko für die Linke, sie ist mit 5,6 Prozent nur knapp in den Landtag gekommen.

Zwei Gründe, warum wir keine Neuwahlen anstreben: Zum einen würde es das Land -zig Millionen Euro kosten. Zum anderen fürchte ich, daß dann die Wahlbeteiligung noch einmal sinken würde.

Andererseits hätten wir aber auch keine Angst davor. Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen SPD, Grünen und uns im Juni lagen wir laut Umfrage bei sieben Prozent, zwei Wochen später bei sechs. Okay – Forsa kam vor 14 Tagen auf fünf Prozent – aber das hängt wohl eher mit diesem Institut zusammen, das SPD-nah ist und uns regelmäßig schlecht bewertet.

Ich würde jetzt nicht prognostizieren, daß wir tatsächlich auf sieben Prozent kommen, aber ich meine, daß unser Wählerpotential in NRW stabil genug ist, um wieder in den Landtag zu kommen.