4. September 2010 Anna Conrads

"Unerträgliches Spiel"

Anna Conrads, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Landtag von NRW

Loveparade-Unglück: Gegenseitige Schuldzuweisungen gehen weiter. Die LINKE in Nordrhein-Westfalen fordert einen Untersuchungsausschuss zur Loveparade-Katastrophe am 24. Juli, bei der 21 Menschen starben. Mit Anna Conrads, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, sprach Florian Osuch. Das Interview erschien erstmalig am 4. September 2010 in der Tageszeitung Neues Deutschland.


ND: Am Donnerstag traf im Landtag von NRW der Innenausschuss zusammen, um die Ereignisse der Loveparade weiter aufzuarbeiten. Wie ist Ihr Fazit?

Conrads: Die Sitzung war für uns nahezu unerträglich – für die Angehörigen und Opfer muss es das erst recht gewesen sein. Das »Schwarzer-Peter-Spiel« um die Verantwortung für die Tragödie ging weiter. In Form von »Gutachten« und in der Diskussion wiesen sich Polizei, Veranstalter und die Stadt Duisburg weiter die Schuld zu.

Fragen nach der allgemeinen juristischen Zuständigkeit, nach Verpflichtungen aller Beteiligten, nach dem Sicherheitskonzept und der Planung bis hin zum konkreten Fehlverhalten und Chaos am Tag selber wurden von allen mit dem Fingerzeig auf den Anderen beantwortet. Während der Innenminister Jäger wenigstens eingeräumt hat, dass es möglicherweise Fehler oder Kommunikationspannen gegeben haben kann, schlossen alle anderen mögliche Fehler ihrerseits aus.

Wie bewältigen Sie überhaupt die vorliegenden Aktenberge?

Das ist ein Problem, das ich auch in der Innenausschusssitzung kritisch angemerkt habe: Wenn am Vortag der Sitzung, ja sogar zum Teil am Abend vor der Sitzung mehrere »Gutachten« mit mehr als 60 Seiten eintrudeln, die die Grundlage für die Sitzung bilden, dann hat das mit Transparenz wenig zu tun. Die Abgeordneten müssen sich in Nachtschichten durch die Akten wühlen und haben am nächsten Tag kaum noch Möglichkeit, sich mit ihren KollegInnen und Fraktionen abzustimmen. Und das, obwohl seit dem 4. August bekannt war, dass für den 2. September eine Sitzung zum dem Thema anberaumt ist – das ist dann doch mehr als ärgerlich.

Erstmalig konnten die Abgeordneten dem Duisburger Oberbürgermeister Sauerland persönlich Fragen stellen. Was wollten Sie und Ihre KollegInnen von ihm wissen?

Alle Fraktionen wollten wissen, ob die Stadt tatsächlich ihren Pflichten nachgekommen ist, zum Beispiel, ob sie geprüft hat, dass Lopavent – auch am Tag selber – sich an alle Abmachungen hält. Außerdem kamen kritische Fragen zum Brandschutz- und Sicherheitskonzept. Ich habe den OB nach seinem Verständnis seiner politischen Verantwortung gefragt: Er hat am Tag nach der Tragödie zunächst den Opfern die Schuld gegeben und weigert sich seitdem, sein Amt zumindest ruhen zu lassen – unter anderem mit der Begründung, er müsse zur Aufklärung möglichst nah an den Akten sein. Leider habe ich keine Antworten bekommen.

Sie fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Was erhoffen Sie sich davon?

Ein Untersuchungsausschuss kann nicht nur Schaller, Sauerland und auch Zeugen zitieren, sondern könnte auch Expertisen von wirklich externen und unabhängigen Wissenschaftlern einholen, die nicht von den Akteuren selber beauftragt werden. Außerdem hat der Landtag unserer Meinung nach auch eine Verantwortung gegenüber den Opfern, sich des Themas anzunehmen und das unsägliche »Schwarze-Peter-Spiel« zu beenden.


Das Interview erschien erstmalig am 4. September 2010 in der Tageszeitung Neues Deutschland.