4. Dezember 2010 Michael Aggelidis

»Ein gutes Geschäft für die Stadtwerke«

Michael Aggelidis ist ­energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag

NRW-Linke setzt sich für den Kauf der Mehrheit des Energieunternehmens STEAG ein. Gespräch mit Michael Aggelidis Das Interview erschien erstmalig am 4. Dezember 2010 in der Tageszeitung junge Welt. Das Gespräch führte Peter Wolter.



Die Linkspartei in NRW macht sich auf kommunaler und auf Landesebene dafür stark, daß die Ruhrgebietsstadtwerke die Mehrheit bei der STEAG übernehmen. Warum dieses Engagement bei einem Unternehmen, das in der Atombranche tätig ist und auch noch umweltschädliche Kohlekraftwerke betreibt?

Grundsätzlich geht es uns darum, daß die Übernahme der STEAG-Mehrheit ein wichtiger Schritt zur Rekommunalisierung ist. Und die wiederum erleichtert die von uns angestrebte Vergesellschaftung und den ökologischen Umbau der Energieerzeugung. Vertreter der Stadtwerke haben uns übrigens zugesagt, daß sie den Atombereich der STEAG gar nicht haben wollen. Dieser Teilaspekt sollte also eigentlich geklärt sein.

Und wie sieht es mit umweltschädlichen Kohlekraftwerken aus?

Wir haben in den mit der STEAG-Übernahme befaßten Stadträten natürlich darauf gedrängt, daß das Unternehmen mittelfristig die Stromerzeugung aus Kohle verringert. Daß das geschieht, ist auch sehr wahrscheinlich, weil Strom aus Wind in zehn Jahren ohnehin die preiswerteste Energie sein wird – das Stadtwerke-Konsortium wäre verrrückt, wenn es nicht auf den Neubau von Windkraftanlagen drängen würde. Ich gehe zudem davon aus, daß die ältesten Kohlekraftwerke stillgelegt werden.

Gibt es Garantien, daß sich die Stadtwerke dafür auch wirklich einsetzen?

Garantien haben wir natürlich nicht. Aber wir sind sicher, daß die beteiligten Stadträte schon darauf achten werden. In denen sitzen allerdings auch CDU-, FDP- und SPD-Vertreter, die natürlich eine andere Politik verfolgen als wir. Der Unterschied zwischen denen und uns ist der, daß für sie die Debatte um Rekommunalisierung und Ökologisierung der Energieerzeugung mit der STEAG-Beteiligung schon aufhört, während sie für uns erst anfängt. Wir werden also gemeinsam mit der Antiatombewegung und den Klimaschützern mehr Druck erzeugen müssen. Das ist ein erfolgreicher Weg, was man daran sieht, daß es die Antiatombewegung möglicherweise geschafft hat, die Atommülltransporte von Ahaus nach Rußland in diesem Jahr zu stoppen.

Woher sollen die Mittel kommen, um diese 51 Prozent bei der STEAG zu übernehmen? Die Kommunen sind blank, und auch die Stadtwerke schwimmen nicht im Geld.

Wir können davon ausgehen, daß das ein gutes Geschäft für die Stadtwerke sein wird – mit der Stromerzeugung wird ja viel Geld verdient. Hinzu kommt, daß sie den Strom als Mitbesitzer von STEAG dann selbst produzieren und und nicht mehr bei den vier großen Energiemonopolen einkaufen müssen. Die Banken stehen jedenfalls als Kreditgeber bereit, allen voran eine private Großbank. Wir hätten uns allerdings ein stärkeres Engagement der Sparkassen gewünscht.

In der jW vom Donnerstag gab es einen kritischen Beitrag zur STEAG-Politik der Linkspartei. Das Unternehmen betätige sich bei seinen Auslandsgeschäften nicht gerade als Menschenrechtsorganisation, hieß es. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

Natürlich sehen wir das kritisch. Aufgabe der Stadtwerke als künftige Mehrheitseigner von STEAG kann es nicht sein, »Global player« zu spielen. Das Auslandsengagement in der Türkei, in Kolumbien und auf den Philippinen muß also zurückgefahren werden. Aber das geht am besten, wenn auf das Unternehmen politischer Druck durch eine kritische Öffentlichkeit ausgeübt wird.

Gäbe es Alternativen zum Engagement der Stadtwerke?

Wenn deren Konsortium die STEAG nicht kauft, werden es »Heuschrecken« tun – und das wollen wir auf jeden Fall verhindern. Über die Stadtwerkebeteiligung bekommt auch die Linke immerhin Einfluß auf die Geschäftspolitik – zwar nicht viel, aber mehr als gar keinen.

Ich möchte auch daran erinnern, daß für uns als einzige Partei die Eigentumsfrage im Vordergrund steht. Wir sollten es also nach Kräften unterstützen, wenn nach Jahrzehnten der Privatisierungspolitik zumindest auf diesem Energiesektor eine gegenläufige Entwicklung stattfindet.

Die Linke hat im Landtag darüber hinaus den Antrag gestellt, die Stromnetze zu verstaatlichen. Wir haben die Landesregierung auch aufgefordert, den Kauf der RWE-Netztochter »Amprion« zu prüfen. Und in den nächsten Monaten werden wir in NRW eine Kampagne zur Delegitimierung der vier großen Energiekonzerne starten.