Gemeinsames Editorial der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE Bärbel Beuermann und Wolfgang Zimmermann

Liebe Leserin, lieber Leser,

erst im Dezember 2011 hat die NRW-Landesregierung ihren Entwurf für den Haushalt 2012 vorgelegt. Wir LINKEN haben gegen diese verfassungswidrige verspätete Einbringung geklagt. Und anders als SPD und Grüne sind wir der Auffassung, dass im Haushalt mehr Geld für Soziales, Bildung und Kommunen eingestellt werden muss. Wofür DIE LINKE beim Haushalt 2012 kämpft, erklären wir im Schwerpunkt auf den Seiten 4 und 5 [RotDruck als PDF hier, 1,1 MB].Daneben ist das zentrale Thema dieser Ausgabe der Rechtsterrorismus. Nach dem Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle »NSU« kommen täglich neue Details über die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den terroristischen Neonazis ans Licht. Auch in NRW haben die Terroristen in Dortmund einen Menschen ermordet und in Köln einen Anschlag verübt. Die Aufklärung über die Hintergründe durch die Landesregierung lässt aber weiter auf sich warten. Was V-Leute in den braunen Organisationen machen und wer ihre Arbeit kontrolliert erläutern wir auf den folgenden Seiten.Zu diesen Themen sowie zur Frage versteckter Kirchenfinanzierung, der von der LINKEN geforderten Masterplatzgarantie und zu weiteren aktuellen Themen aus der Landespolitik wünschen wir eine spannende Lektüre.

Neonazis und Ver fassungsschutz Hand in Hand?

»NSU«-Skandal muss endlich öffentlich aufgeklärt werden!

Ende letzten Jahres flog der »NSU« und mit ihm eine erschütternde und Jahre währende Mordund Anschlagserie der Nazi-Terrorzelle auf. Der empörten und trauernden Öffentlichkeit versprachen die verantwortlichen Politiker die Aufklärung des Falls.

Doch obwohl es Verwicklungen vor allem des Verfassungsschutzes gibt, drängen Bundes- und Landesregierung vor allem auf zusätzliche Kompetenzen für die Ermittler. Ein fataler Fehler, meint die Fraktion DIE LINKE im Landtag NRW. Ungeheuerliches wurde aus Kontrollgremien des Thüringer Landtag zum »NSU« bekannt: 1999, also nach dem Abtauchen der Bombenbauer, habe der Verfassungsschutz über den Aufenthalt der gesuchten Neonazis Bescheid gewusst. Zu einer Festnahme kam es aber nicht. Dafür drückte der Geheimdienst ein Jahr später einem V-Mann und Neonazi 2000 D-Mark in die Hand – für falsche Pässe für die Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.

Schutz der Nazis statt Schutz der Verfassung?

Anna Conrads nennt es »unerträglich, dass der Staat den »NSU« gedeckt oder unterstützt haben könnte«. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Düsseldorfer Landtag fordert Aufklärung – auch in NRW. Denn auch hier will der Landesverfassungsschutz keine Kenntnis vom rechten Terror gehabt haben, trotz zahlreicher V-Leute in der Neonazi-Szene. Dabei gehen zwei Bombenanschläge in Köln mit 23 schwer Verletzten auf das Konto des »NSU«. In Dortmund brachten die Neonazis einen türkischen Kioskbesitzer um.

»Der NRW-Innenminister hat angekündigt, den Druck der Polizei auf Neonazis zu erhöhen. Das begrüßen wir«, so Anna Conrads. »Doch darüber hinaus muss öffentlich geklärt werden, warum der Geheimdienst entweder nichts von den Attentaten wusste – oder die Gefahr verschwieg.«

V-Leute: Neonazis im Dienste des Staates

Auch in Nordrhein-Westfalen arbeitet der Verfassungsschutz (VS) mit Spitzeln aus der Neonazi-Szene zusammen. Die Honorarkosten sind geheim, der Nutzen aus ihren Informationen zweifelhaft, doch der Schaden ist immens. DIE LINKE fordert die sofortige Abschaltung der V-Leute.

Was sind V-Leute?

»Vertrauensleute« sind keine Beamten des Verfassungsschutzes, sondern Informanten: Aktive Personen aus der rechten Szene, also führende Neonazis. Für ihre Informationen erhalten sie Geld, ihre Identität wird vom Geheimdienst geschützt. Selbst vor Gericht müssen sie nur nach Erlaubnis des Dienstes sprechen. In zahlreichen Prozessen entzogen sich die Nazi-Spitzel so einer Befragung oder Verurteilung.

Wie viele V-Leute gibt es? Was verdienen sie?

Angaben über Anzahl und Honorare halten die Ämter für Verfassungsschutz geheim. Laut »SPIEGEL« sind allein im Umfeld der NPD bundesweit rund 130 Funktionsträger als V-Leute aktiv. Dass ihre Informationen nützlich sind, darf bezweifelt werden. Bekennende Neonazis fühlen sich anderen Nazis, aber nicht dem Staat verpflichtet. Abgeschaltete Nazi-V-Leute erklären freimütig: Innerhalb derrechten Szene spricht man ab, welche Informationen man dem VS gibt, Honorare fließen nicht selten in den Aufbau von Nazi-Strukturen. Steuergelder in Millionenhöhe, die Rassisten und Gewalttäter handlungsfähig machen.

Gibt es kriminelle V-Leute?

Der Verfassungsschutz sagt nein, nach kriminellen Handlungen würden V-Leute »abgestellt «. Dagegen stehen Beispiele wie das von Sebastian S.: Als V-Mann stattete er Dortmunder Nazis mit Waffen aus, handelte mit Drogen. Schon zur Wahrung ihrer Tarnung nehmen V-Leute an Straftaten teil, wie z.B. an einem Überfall auf hochbetagte KZ-Überlebende in Wuppertal.

Wer kontrolliert die Arbeit des VS mit den V-Leuten?

Es gibt keinerlei öffentliche oder juristische Kontrolle. Der VS in NRW muss nur dem streng geheimen Kontrollgremium des Landtags berichten, aus dem DIE LINKE ausgeschlossen ist. Schweigepflicht herrscht sogar gegenüber anderen Landtagsabgeordneten. Die Operationen und Informanten des VS bleiben völlig im Dunkeln – selbst vor Gericht. »Der Geheimdienst ist ein Fremdkörper in einer Demokratie«, sagt deshalb Anna Conrads.