13. Februar 2012

Kein Kind in Armut aufwachsen lassen! Jetzt handeln!

Wer mit offenen Augen durch Nordrhein-Westfalen geht, den dürfte die Meldung nicht überrascht haben: Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge wachsen über 100.000 Kinder unter drei Jahren (22,7 Prozent der Alterskohorte) in Familien auf, die auf Hartz IV angewiesen sind. Die durchschnittliche Armutsquote verdeckt dabei die gravierende soziale Ungleichheit: Trauriger Spitzenreiter in der Studie ist Gelsenkirchen mit einer Armutsquote von über 40 Prozent bei Kindern unter drei Jahren! In Coesfeld liegt die Quote hingegen bei – immer noch zu hohen – 9,2 Prozent.

Nun bedeutet der Bezug von staatlichen Sozialtransfers zunächst nur, dass das soziale Sicherungssystem auf eine soziale Notlage reagiert hat. Der Bezug von sozialer Grundsicherung sollte Menschen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und materielle Not verhindern, insbesondere wenn Kinder betroffen sind. Angesichts der willkürlich und mutwillig niedrig gerechneten Regelsätze und gesellschaftlicher Stigmatisierung von Hartz-IV-Beziehenden entpuppt sich der grundgesetzlich verankerte Anspruch an soziale Gerechtigkeit und jedem Menschen zukommende Würde jedoch als ein leeres Versprechen.

Nur wer sich dem staatlichen „Fordern und Fördern“ unterwirft und sich vom Jobcenter unter Anwendung von Zwang – genannt: Anreize – „wieder eingliedern“ lässt, erhält als erwachsene Person aktuell lediglich 374 Euro zuzüglich Miete und Heizkostenzuschuss. Für ein Kind im Alter von null bis fünf Jahren gibt es nur 219 Euro, um den täglichen Bedarf zu decken. Wie Eltern mit diesen rund sieben Euro pro Tag dem Kind eine altersgerechte Förderung, gesunde Nahrung und ein armutsfreies Aufwachsen ermöglichen sollen, verschweigen die Hartz-IV-Parteien geflissentlich. Um die ärgsten Missstände zu lindern, schnürte man bloß prestigewirksam das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket, das in den Mühlen der Bürokratie versandet anstatt die Armut von Kindern und ihren Eltern wirksam zu bekämpfen. Zugleich wurde Hartz-IV-Beziehenden das Elterngeld in Gänze gestrichen, indem es auf das Einkommen anrechnungsfähig gestellt wurde.

Insbesondere Frauen, denen überwiegend die Fürsorge und Verantwortung von Kindern und Familie obliegt, setzt man damit einem erhöhten Armutsrisiko aus und schränkt sie in ihrer legitimen Autonomie – auch als Mutter! – ein. Zugleich geht der Ausbau der Krippen und Kitas in Nordrhein- Westfalen nur langsam und immer noch ohne transparente, ausfinanzierte und bedarfsdeckende Planung voran.

Für DIE LINKE ist klar, dass die Bekämpfung von Armut gerade bei Kindern an mehreren Punkten ansetzen muss:

  1. Abschaffung der erniedrigenden Praxis des Forderns und Förderns und von Hartz IV insgesamt: Kein Kind darf durch familiäre Einkommensarmut in seiner Entwicklung und in seinem gesunden Aufwachsen eingeschränkt werden. Die repressive Sozialgesetzgebung muss durch eine repressionsfreie bedarfsdeckende soziale Mindestsicherung mit bedarfsdeckenden Regelsätzen in Höhe von mind. 500 Euro ersetzt werden.

  2. Abschaffung der Gebührenfinanzierung im Elementarbereich (Krippen und Kindergarten): Um auch finanziell schlecht gestellten Eltern zu ermöglichen, ihre Kinder in eine Krippe oder Kindergarten zu geben, müssen alle Gebühren für den Besuch einer Krippe und eines Kindergartens ersatzlos gestrichen werden – einschließlich der Eigenbeiträge für Mittagsmahlzeiten. Das Schulgeld wurde zu Recht bereits vor langer Zeit abgeschafft, nun muss endlich der Elementarbereich folgen!

  3. Ausbau der Krippen: Um Eltern auch von kleinen Kindern den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und ihnen zugleich eine umfassende Förderung zukommen zu lassen, müssen die Krippen bedarfsgerecht ausgebaut und finanziert werden. Hierfür fordert DIE LINKE seit langem von der Landesregierung die Vorlage einer regionalisierten, auf aktuellen Bedarfsprognosen aufbauenden Ausbauplanung für Kitaplätze für Unter-Dreijährige ein. Die von SPD und Grünen immer noch genannte Zielmarke einer 32-prozentigen Betreuungsquote ist absehbar nicht ausreichend, um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. August 2013 tatsächlich einzulösen.

  4. Ausbau der Familienzentren als Baustein präventiver Arbeit vor Ort: Bislang steht nicht mal jedes zehnte Familienzentrum in einem sozial benachteiligten Stadtteil. Dabei könnten die Zentren gerade hier ihre Stärke der niedrigschwelligen Angebote besonders gut ausspielen und bereits präventiv auf die Vermeidung von Armutslagen hinwirken. Gerade in sozial benachteiligten Sozialräumen muss die Präsenz von Familienzentren ausgebaut werden. Um darüber hinaus die Zentren in ihrer anspruchsvollen Tätigkeit zu fördern und die Qualität der Angebote sicherzustellen, fordert DIE LINKE einen auskömmlichen Landeszuschuss für eine hauptamtliche, tariflich entlohnte Leitungskraft in jedem Familienzentrum.

LINKS wirkt – für soziale Gerechtigkeit in Nordrhein Westfalen!

Quelle: http://archiv.linksfraktion-nrw.de/aus_dem_landtag/argument_der_woche/detail_fuer_argument_der_woche/artikel/kein-kind-in-armut-aufwachsen-lassen-jetzt-handeln/