16. September 2011 Ralf Michalowsky

»Auswärtige Polizeibeamte waren ziemlich aggressiv«

Der Einsatz gegen antifaschistische Demonstranten am Samstag, 03.09.2011 in Dortmund hat ein parlamentarisches Nachspiel. Gespräch mit Ralf Michalowsky, MdL DIE LINKE, erschienen am 09.09.2011 in der Tageszeitung junge Welt. Ralf Michalowsky war parlamentarischer Beobachter der Demonstration


Der Polizeieinsatz gegen die Gegendemonstranten des Naziaufmarschs in Dortmund wird die Justiz beschäftigen. Ein Mitarbeiter der Fraktion Die Linke soll angeblich eine Polizistin in die Hand gebissen haben, hat aber am Dienstag seinerseits Anzeige erstattet wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und falscher Verdächtigung. Was genau ist passiert?

Es gibt widersprüchliche Angaben: Einmal soll er in die Hand gebissen haben, dann in den Finger, schließlich in den Unterarm. Man sollte sich vielleicht erst einmal darauf einigen, wohin genau gebissen wurde, bevor man jemanden beschuldigt. Ich selber habe nichts gesehen, was an solche Vorwürfe auch nur im entferntesten erinnert. Besagter Mitarbeiter heißt übrigens mit Spitznamen »Agit«, er arbeitet für unseren Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Zimmermann.

Es lief vielmehr so ab: Polizisten trugen Agit in eine Nebenstraße. Dort kollabierte er und wurde von Polizeisanitätern behandelt. Danach verlor ich ihn eine Weile aus den Augen, bis ich ihn später im Sanitätswagen des Arbeiter- und Samariterbundes sprechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war von keiner Seite aus von einem Biß die Rede. Erste Anschuldigungen wurden am Dienstag erhoben: Da war jedoch nicht von Körperverletzung oder von einem Biß die Rede, sondern von Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Will Ihre Fraktion diesen Polizeieinsatz im Düsseldorfer Landtag zur Sprache bringen? Es hat ja noch mehr Berichte über völlig überzogene Polizeigewalt gegeben.

Wir brauchen das Thema von uns aus gar nicht mehr einzureichen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat am Mittwoch für den Innenausschuß am 22. September einen Bericht über den Einsatz der Polizei aus deren Perspektive angekündigt. Wir werden unsere Erfahrungen einbringen und sammeln dazu entsprechende Berichte.

Was wirft Ihre Fraktion der Polizeiführung vor?

Zunächst einmal hätte die Blockade, an der Agit mitgewirkt hat, gar nicht geräumt werden müssen. Denn 200 Meter entfernt gab es eine weitere Blockade – bei der man gar nicht daran dachte zu räumen: An der waren nämlich Regierungspräsident Gerd Bollermann (SPD) und weitere bekannte Politiker beteiligt. Zum Zeitpunkt der Räumung war längst entschieden, die Nazidemonstration eine andere Route laufen zu lassen. Ich habe selbst gehört, wie ein Journalist einem anderen sagte: »Eigentlich können wir hier einpacken, die Nazis werden umgeleitet.« Trotzdem wurde unsere Blockade geräumt.

Welcher Art waren die Übergriffe auf Demonstranten, die Sie kritisieren?

Mir wurde berichtet, daß Reizgas gespritzt wurde. Passanten wurden verletzt, eine Frau mit Kind mußte sich in ein Geschäftslokal retten. Bei der Räumung der Sitzblockade haben mehrere Polizisten brutal zugelangt. Beispielsweise haben zwei Beamte jeweils mit beiden Händen einen Demonstranten am Kopf aus der Blockadekette zu ziehen versucht. Mich wundert, daß es dabei keine Verletzungen gab – vor allem weil sie klobige Handschuhe trugen.

Dortmunder Polizisten haben sich nach meiner Beobachtung weitgehend korrekt verhalten, während auswärtige Beamte in Kampfanzügen in Dortmund ziemlich aggressiv waren. Selbst einen Journalisten haben sie festgesetzt – als ich einschreiten wollte, hat sie gar nicht interessiert, daß ich als parlamentarischer Beobachter anwesend war und mich auch ausweisen konnte. Die Pressefreiheit wurde behindert, indem man Fotografen den Durchgang verweigert hat.

Was fordert Die Linke, wie man mit Naziaufmärschen umgehen soll?

Naziaufmärsche dürfen gar nicht erst zugelassen werden. Gegen Nazis muß man präventiv vorgehen. Nach polizeilichen Erkenntnissen gibt es in Dortmund nur einen harten Kern von 40 Personen. Für die gilt es, ein Aussteigerprogramm einzurichten. Sie müssen polizeilich observiert werden, um zu verhindern, daß sie nachts losziehen und Leute überfallen.

Quelle: http://archiv.linksfraktion-nrw.de/presse/im_wortlaut/detail/artikel/auswaertige-polizeibeamte-waren-ziemlich-aggressiv/