28. Oktober 2010 Rüdiger Sagel

»Diesem Nachtragshaushalt werden wir nicht zustimmen«

Rüdiger Sagel ist stellvertretender Vor­sitzender der Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag sowie ihr finanz­politischer Sprecher

NRW-Regierung will WestLB subventionieren und Soziales streichen. Linkspartei wird dabei nicht mitspielen. Gespräch mit Rüdiger Sagel, stellvertretender Vor­sitzender der Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag sowie ihr finanz­politischer Sprecher der LINKEN. Das Interview erschien erstmalig am 28. Oktober 2010 in der Tageszeitung junge Welt. Das Gespräch führte Peter Wolter.


Die anstehende Verabschiedung des Nachtragshaushaltes ist die erste größere Belastungsprobe für die Minderheitsregierung von SPD und Grünen in NRW. Die Regierung ist allerdings darauf angewiesen, daß die Linkspartei mitspielt – tut die das?

Wir haben deutlich gemacht, daß der Nachtragshaushalt 2010 so nicht zustimmungsfähig ist. Am heutigen Donnerstag findet die erste Anhörung im Haushalts- und Finanzausschuß dazu statt und ich bin sicher, daß es auch von Verbänden deutliche Kritik geben wird.

Und was kritisiert Ihre Fraktion?

SPD und Grüne verkaufen den Nachtragshaushalt als »Abschlußbilanz« der abgewählten schwarz-gelben Regierung. Die muß aber vor allem wegen sozialer Aspekte kräftig nachgebessert werden.

Zudem geht es um höhere Einnahmen – wir fordern als ersten Schritt, daß 200 Steuer- und Finanzprüfer eingestellt werden, die rund 400 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen könnten. Das hatte der Landesfinanzminister übrigens auch schon zugesichert. Auf der anderen Seite ist aber eine Neuverschuldung von 2,3 Milliarden Euro vorgesehen – 1,3 davon sollen an die marode WestLB gehen.

Für die Landesbank ist also offenbar Geld da – nicht aber für mehr soziale Gerechtigkeit. Wir wollen daher mehr Ausgaben für den Landesjugendplan, für Frauenhäuser und Arbeitslosenzentren. Außerdem verlangen wir die sofortige Abschaffung der Studiengebühren, spätestens bis zum Sommersemester 2011. Die Regierung will sich bis zum Wintersemester desselben Jahres Zeit lassen.

Ohne die Stimmen der Linkspartei stehen SPD und Grüne im Regen – haben Spitzenpolitiker dieser Parteien sich wenigstens mal zum Kaffee mit Ihnen verabredet, um die Lage zu sondieren?

Davon ist keine Rede. SPD und Grüne behaupten zwar, sie seien eine »Koalition der Einladung« – aber die lädt eher aus statt ein. Die Koalition verhält sich wie jemand, der Gäste an einen Tisch bittet, der nicht einmal gedeckt ist. Aber Gastgeschenke will er auch noch haben.

Nicht mit uns – Die Linke ist nicht dazu da, die Politik von SPD und Grünen abzunicken. Wir stehen für einen solide finanzierten Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen. Den ersten Schritt, den Regierungswechsel, haben wir ermöglicht – der eigentliche Politikwechsel steht aber noch aus. Nicht nur die Bundesländer, auch die Kommunen sind ziemlich bankrott; ohne mehr Steuergerechtigkeit wird es keine grundsätzlichen Veränderungen geben.

Sie brauchen ja nicht für den Nachtragshaushalt zu stimmen –die Enthaltung würde schon reichen, damit er durchkommt. Steht das zur Debatte?

Wie wir uns konkret verhalten, haben wir noch nicht entschieden, das müssen wir dann gemeinsam mit der Landespartei beraten. Wir erwarten erst einmal, daß sich SPD und Grüne mit uns an einen Tisch setzen. Sicher ist nämlich, daß wir diesem Haushalt, so wie er ist, nicht zustimmen werden. Uns geht es vor allem um die sozialen Aspekte.

Wenn Sie dagegen stimmen, ist die Regierung gescheitert. Dann gibt es eigentlich nur einen Ausweg: Neuwahlen.

Davor haben wir keine Angst, denn wir haben in NRW eine solide Basis. Seit zwei Jahren liegen wir immer über fünf Prozent auch in den jüngsten Umfragen. Scharf auf Neuwahlen sind in NRW lediglich die Grünen – die SPD hat nämlich auch kein Interesse daran, danach möglicherweise einen noch stärkeren grünen Partner in der Koalition zu haben.

Eigentlich ist das doch eine komfortable Situation für die Linkspartei, sie kann die Muskeln spielen lassen …

Wir wollen eine konstruktive Opposition sein, so wie wir das in unserem Wahlprogramm versprochen haben.

Von den Spitzen der Grünen und der SPD werden Sie geschnitten – aber wie ist der Umgang mit den einfachen Abgeordneten dieser Parteien im Landtag? Gibt es da wenigstens Gespräche?

Die kommen nur auf uns zu, wenn sie was von uns wollen. Wenn wir selbst aber Anliegen haben, stellen sie sich taub. Wir vermissen eine Diskussionskultur, die einem Parlament angemessen ist.

Quelle: http://archiv.linksfraktion-nrw.de/presse/im_wortlaut/detail/artikel/diesem-nachtragshaushalt-werden-wir-nicht-zustimmen/