12. August 2011 Bärbel Beuermann

"Stolperstein" für Oskar Behrendt

In Gelsenkirchen wurde am ersten August an Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Eines davon ist Oskar Behrendt, auf den nun ein „Stolperstein“ vor seinem letzten Wohnsitz in der Küppersbuschstraße 25 aufmerksam macht.

Die "Stolpersteine" verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig in ganz Deutschland dort, wo Menschen wohnten, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. So will er das Gedächtnis an die Opfer bewahren und gegen das Vergessen des Nazi-Faschismus angehen. In Gelsenkirchen werden die "Stolperstein"-Verlegungen auf Initiative des Gelsenzentrums e.V. durchgeführt.

Oskar Behrendt, Jahrgang 1902, war vielfältig politisch aktiv. Er war Mitglied, der KPD, Chefredakteur des "Ruhr-Echo" und Bezirkssekretär Ruhr der "Roten Hilfe". Der engagierte Antifaschist war den Nazis früh ein Dorn im Auge und eines ihrer ersten Opfer. Ein halbes Jahr nach der Machtübertragung an die NSDAP durch die Konservativen, wurde er am 16. August 1933 in das Gelsenkirchener Gerichtsgefängnis verschleppt und dort schwer misshandelt, worauf er am 17. August verstarb. Der Obduktionsbericht lautete u.a.: "Die primäre Todesursache war ein ganz gemeiner, langsam vollzogener Mord." Die mutmaßlichen Mörder wurden nach 1945 „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen.

Zur "Stolperstein"-Verlegung in der Küppersbuschstraße fanden sich etwa 30 Personen ein, unter ihnen auch Alexander Behrendt, ein Enkel des Ermordeten, und Bärbel Beuermann, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Landtag NRW. Alexander Behrendt bedauerte, dass er seinen Großvater nie kennenlernen durfte. Beuermann betonte, dass es ihr eine Ehre sei, an Oskar Behrendt zu erinnern. Beuermann weiter: "Wenn wir uns heute an Oskar und die vielen anderen Opfer der Nazis erinnern, sollten wir dabei die Idee und die Lebenshaltung nicht vergessen, wegen derer diese Menschen sterben mussten: Ihre internationale Solidarität und Weltoffenheit, ihr Friedenswille und Gerechtigkeitssinn können heute in uns und unserem Handeln weiterleben."

Siehe auch: www.stolpersteine-gelsenkirchen.de


Interview mit Alexander Behrendt, Enkel von Oskar Behrendt

Herr Behrendt, am 1. August wird ihr Großvater Oskar Behrendt in Gelsenkirchen mit einem „Stolperstein“ geehrt. Wie wurde man auf die Geschichte ihres Großvaters aufmerksam und wie kam es letztendlich zur Verlegung? Können Sie den Prozess beschreiben?

Das weiß ich nicht so genau. Ich wurde durch die Internetseite des „Gelsenzentrum“ auf die geplante Stolpersteinverlegung aufmerksam. Ich glaube, dass Andreas Jordan durch das Institut für Stadtgeschichte auf das Schicksal von Oskar Behrendt hingewiesen wurde. Dort sind in den letzten Jahren diesbezüglich Forschungen angestellt worden.

Für mich persönlich war es sehr berührend, etwas über meinen Großvater zu erfahren. Ich habe ihn ja leider nicht kennengelernt, da er ermordet wurde, als mein Vater drei Jahre alt war. Das war das einzige, was mir bekannt war. Sonst wurde über sein Leben und Wirken innerhalb der Familie nicht gesprochen. Außerdem sind inzwischen alle Zeitzeugen verstorben. So habe ich zum Beispiel im Rahmen der Recherchen erstmals erfahren, dass er KPD-Stadtverordneter in Gelsenkirchen und leitender Redakteur bei der kommunistischen Tageszeitung „Ruhr-Echo“ war. Besonders berührt haben mich die Erinnerungen von Rosa Eck, die auf Youtube zu hören sind. Sie erwähnte auch den grausamen Tod meines Großvaters.

Sehen Sie den Stein eher als persönliche Ehrung ihres Großvaters oder auch als ein politisches Signal?

Ich sehe das vor allem als persönliche Ehrung, die dem Menschen Oskar Behrendt gilt. Ich finde, dass er dadurch einen gebührenden Platz in der Zeitgeschichte einnehmen kann.  Ich sehe das Gesamt-Kunstwerk „Stolpersteine“ als eine angemessene und gelungene Form des Andenkens an die Opfer des Faschismus.

Wie beurteilen Sie insgesamt den heutigen Umgang der Politik mit Neofaschismus?

Mich bedrückt die sprachlose Hilflosigkeit im alltäglichen Umgang damit. Die  aktive politische Auseinandersetzung  besteht doch darin, dass alle politischen Kräfte konsensual die Aussagen der rechtsradikalen Parteien totschweigen, selbst wenn diese gewählte Vertreter in Parlamenten sind.  Das halte ich für falsch, da Demokratie nur durch aktive Kontroverse überleben kann.

Die Art der Darstellung der Ermordeten durch Stolpersteinen wird kritisch gesehen. Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland merkte einmal an, dass durch die Einlassung im Boden sinnbildlich auf den Opfern „herumgetreten“ werde. Was halten Sie von dieser Kritik?

Das sehe ich nicht so. Die Stolperseine im Straßenpflaster als steingewordene, flächendeckende, nicht zu versteckende „Plakatierung“ des öffentlichen Raums halte ich für eine geniale Idee als Gegenpol zum beharrlichen Schweigen über vergangenen Gräueltaten.

Abschließend noch eine persönliche Frage: Mit welchem Gefühl sehen Sie der Verlegung des Stolpersteins ihres Großvaters entgehen?

Als frischgebackener Vater freue ich mich über das Ritual der Einbettung des mir unbekannten Großvaters in den Familienkreis.

Quelle: http://archiv.linksfraktion-nrw.de/aus_dem_landtag/aktiv/detail/artikel/stolperstein-fuer-oskar-behrendt/