25. September 2010

Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verstetigen und ausbauen

Treffen der innen- und rechtspolitischen SprecherInnen der LINKEN aus den Landtagen, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament

Erklärung der innen- und rechtspolitischen SprecherInnen der LINKEN aus den Landtagen, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament

Die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie leisten seit vielen Jahren eine wichtige und unverzichtbare Arbeit in Ländern und Kommunen. Ihr Erhalt, ihr Ausbau und ihre Zielrichtung auf eines der größten demokratiegefährdenden Probleme in Deutschland, den Rechtsextremismus, ist unser gemeinsames Anliegen.

Als PolitikerInnen aus den Ländern und dem Bund sind wir seit vielen Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus befasst und wissen sehr genau, was hier nötig ist, was aber auch erfolgreich war in den letzten Jahren: Der 2001 etablierte und vom Bund angestoßene Ansatz der intensiven lokalen Auseinandersetzung mit extrem rechten Strukturen in den Kommunen und Ländern und die Stärkung und Unterstützung demokratischer Initiativen und Personen vor Ort hat, da sind wir uns sicher, Früchte getragen. Unser Kriterium des Erfolges ist dabei nicht die Frage, welchen Stimmenanteil die NPD erhält oder wie die konkreten Zahlen der Übergriffe durch Nazis sich entwickeln. Für uns ist entscheidend, in wie weit es gelingt, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus dort zu einem öffentlichen Thema zu machen, wo wir es mit Nazistrukturen zu tun haben.

Hier hat es, dass ist für alle die schon länger in diesem Themenfeld arbeiten offensichtlich, eine positive Veränderung gegeben die entscheidend mit der langfristigen und kontinuierlichen Arbeit der Projekte gegen Rechtsextremismus zu tun hat. Verbale und physische Angriffe auf MigrantInnen, Obdachlose, linke oder andere Menschen, die nicht ins Weltbild der Nazis passen, rechte Schmierereien im Ort, Einschüchterungen durch Nazigangs auf Schulhöfen, in Jugendclubs oder auf Marktplätzen, Aufmärsche und Konzerte der extrem rechten Szene – all dies wird heute sehr viel häufiger öffentlich gemacht, nicht hingenommen und aktiv bekämpft als dies noch vor zehn Jahren der Fall war. Natürlich gibt es nach wie vor Ignoranz, Wegsehen und Verharmlosung des alltäglichen Rechtsextremismus. Aber der Druck ist größer geworden und die Sensibilität verbreiteter, Nazis in der Kommunen nicht einfach zu ignorieren oder gar zu tolerieren.

Für uns zeigt die Erfahrung der letzten zehn Jahre zweierlei: Die Auseinandersetzung mit der extremen Rechten bedarf eines langen Atems und sie muss möglichst unabhängig von staatlichen Einflussnahmen erfolgen aber im regen Austausch mit den zuständigen Stellen der Kommunen und Länder. Aus diesem Grund fordern wir Bund und Länder auf, die erfolgreichen Programme gegen Rechtsextremismus fortzusetzen, auf Dauer zu stellen und sie inhaltlich zu verbessern. Wir haben die große Sorge, dass mit der von Seiten der Bundesregierung losgetretenen Extremismusdebatte Erfolge der letzten Jahre in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten zunichte gemacht werden können. Die klare Benennung der realen Probleme mit Nazistrukturen vor Ort löst sich so zugunsten einer diffusen Auseinandersetzung mit allen Formen des so genannten Extremismus auf. Schon heute beobachten wir, dass Bündnisarbeit gegen Nazis durch die Extremismusdebatte erschwert wird. Jugendliche Antifas müssen sich rechtfertigen und mit dem Vorwurf des Linksextremismus auseinandersetzen, Bekenntnisse zu einem völlig willkürlich definierten antiextremistischen Konsens werden eingefordert und übereifrige Bürgermeister wollen auch schnell mal DIE LINKE aus manchen Bündnissen entfernen, weil sie sich zum Sozialismus bekennt. Initiativen und Projekte, die seit Jahren gute Arbeit gegen die extreme Rechte leisten, werden unter Extremismusverdacht gestellt und man droht ihnen mit dem Entzug finanzieller Mittel.

Die Westdeutschen unter uns kennen solche Debatten aus längst vergangen geglaubten Zeiten: Gesinnungsprüfung und „Radikalenerlass“ lassen grüßen. Die Ostdeutschen unter uns kennen solche Debatten als ständige Begleiter der letzten zwanzig Jahre, verbinden mit dem Stichwort Gesinnungsprüfung aber auch ältere Erinnerungen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wir halten die aktuelle Extremismusdebatte für ein politisches Kampfinstrument vor allem der Union, mit dem der politische Raum auf der Linken verengt und teilweise kriminalisiert werden soll. Als LandespolitikerInnen und auch als Bundestagsabgeordnete sehen wir nicht, wo es im konkreten Alltag der Menschen, in Kommunen, ländlichen Regionen, in Kleinstädten ein Problem mit so genanntem „Linksextremismus“ geben soll. Seit mehr als einem halben Jahr versucht Ministerin Schröder Gelder für Projekte gegen „Linksextremismus“ unters Volk zu bringen – weitgehend ohne Erfolg, weil es keinen realen Bedarf gibt. Dieses Geld könnte und sollte sinnvoller eingesetzt werden, nämlich für die gezielte Stärkung und Verstetigung der Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und für Demokratie.

Als Landtags- und Bundestagsabgeordnet der LINKEN die in ihrer täglichen Arbeit mit dem Thema Rechtsextremismus befasst sind, fordern wir von der Bundesregierung die finanzielle Absicherung der bisherigen Arbeit gegen Rechtsextremismus. Drei Punkte sind für uns dabei zentral:

  1. Der erfolgreichste Teil der bisherigen Programme, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBT) und die Beratung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt (OBS) muss endlich auf Dauer gestellt und als eine permanente Aufgabe von Bund und Ländern anerkannt werden. Dazu bedarf es einer langfristigen finanziellen Verpflichtung von Seiten des Bundes, die dann von den Ländern ergänzt wird. Wir wollen die flächendeckende Absicherung der MBTs und OBS’, in Ost und West. Vor allem muss es endlich zu einer Übertragung der OBS auf Westdeutschland kommen.
  2. Die Modellprojekte zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und NS-Vergangenheit leisten in vielen Fällen eine innovative Pionierarbeit. Ihre Förderdauer muss ausgeweitet und die Ansprüche an die durch sie zu erbringende Kofinanzierung muss gesenkt werden.
  3. Die Lokalen Aktionspläne (LAP) sollen zukünftig nach realen Bedarfen und nicht nach einem starren Ost-West-Schlüssel vergeben werden. Ihre Zahl soll entsprechend dem Bedarf erhöht werden. Schließlich soll die enge Anbindung an die Kommunen dadurch gelockert werden, dass auch zivilgesellschaftliche Träger antragsberechtigt sind.


Berlin, 22.9.2010

Quelle: http://archiv.linksfraktion-nrw.de/aus_dem_landtag/aktiv/detail/artikel/-a4f077ce9b/