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7. September 2011

Ziviler Ungehorsam gegen Neonazis und ihre Aufmärsche

Stellungnahme Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW zu den Aktionen anlässlich des Antikriegstages in Dortmund am 3. September 2011

Die Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW bewertet die zahlreichen Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch am 3. September als Erfolg. Die zahlreichen Demonstrationen, Feiern und friedlichen Sitzblockaden mit über 10.000TeilnehmerInnen haben gezeigt, dass die Menschen in Dortmund die wachsende Präsenz von NeofaschistInnen –ihre feigen Einschüchterungsversuche und brutalen Angriffe auf Andersdenkende, MigrantInnen und ihre Familien – nicht länger dulden. Sie haben gezeigt: Bis hierhin und nicht weiter! Der braune Spuk muss ein Ende haben! Politik und Polizei  in Dortmund haben das wachsende Problem des Neofaschismus lange nicht ernst genommen. Umso mehr begrüßen wir es, dass Jahr für Jahr mehr BürgerInnen gegen Rechts auf die Straße gehen, sich in Bündnissen organisieren und zuletzt auch der Oberbürgermeister Ullrich Sierau zur Teilnahme an Sitzblockaden im Rahmen von Dortmund Nazifrei aufgerufen hat. Das Bündnis Dortmund stellt sich quer (DSSQ), das auch von DIE LINKE unterstützt wird, hat genauso wie „Dortmund Nazifrei“ zu gewaltfreien Sitzblockaden aufgerufen. Dieser Aktionskonsens wurde von Dssq bis zum Ende eingehalten. DIE LINKE Landtagsfraktion lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab und missbilligt die Verletzung von Polizeibeamten, Demonstrierenden und PassantInnen.

Gleichzeitig bekräftigt DIE LINKE ihre Kritik am Polizeieinsatz vom Samstag, den sie in Teilen für unverhältnismäßig und nicht rechtmäßig hält.

Der Einsatz der Polizei bot am Samstag ein höchst uneinheitliches Bild. In einigen Situationen wurden DemonstrantInnen umfassend, ruhig und vorschriftsmäßig über Maßnahmen und Schritte informiert. Diese deeskalierende Strategie hat an diesen Stellen zu einem friedlichen Verlauf beigetragen. Umso unverständlicher ist es für uns, dass es andererseits zu völlig unverhältnismäßigen Einsätzen kam. Während beispielsweise die Sitzblockade von „Dortmund Nazifrei“ in der Schützenstraße nach Besuchen von Landesminister Guntram Schneider (SPD) und der Vorsitzenden des Innenausschusses des Landtages, Monika Düker (Grüne), unbehelligt sitzenbleiben konnte, wurde eine ebenfalls friedliche Sitzblockade von DSSQ, rund 50 Meter entfernt, mit unverhältnismäßigen Mitteln geräumt [Bilder hier]. Beide Sitzblockaden lagen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf der Route der Neonazis. Wir fragen die Polizei: Wieso diese Ungleichbehandlung? Ging es um gezielte Eskalation oder gar ein Revanchefoul?

Deeskalierende Strategien hätte die Polizei auch gegenüber den Demonstrierenden anwenden müssen, die im Bereich der Uhland-/Schillerstraße eingekesselt und später in Gewahrsam genommen wurden. Darüber hinaus berichteten PassantInnen und DemonstrantInnen von einem massiven Pfeffersprayeinsatz im Bereich Scheffel- /Schiller-/Mallinkrodtstraße durch die Polizei. Hier wurde eine erhebliche Menge von Demonstrierenden verletzt. Eine junge Frau musste mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. In mindestens zwei Fällen kam es zu Behinderungen von Sanitätern bei der medizinischen Versorgung verletzter Demonstranten.

Äußerst fraglich ist aber auch der Umgang der Polizei mit den anwesenden rund 700 NeofaschistInnen. Während sich die Gegendemonstranten kontinuierlich einer massiven Anzahl Polizeibeamter gegenübersahen, war die Polizei offenbar nicht in der Lage, das offizielle städtische „Friedensfest“ in Dorstfeld am frühen Abend vor rund 50 NeofaschistInnen zu schützen. Bereits am Rande das Nazi-Aufmarsches kam es zu Einschüchterungen von Fotojournalisten durch Neonazis, einen Schutz durch Polizisten gab es nicht.

Unzweifelhaft gerät die Polizei in Situationen wie in Dortmund oder Dresden immer wieder zwischen die Fronten. Sie hat die Anweisung, den Aufmarsch der NeofaschistInnen zu ermöglichen, gegen die Proteste Tausender BürgerInnen und mit enormen Unannehmlichkeiten, ja Ausnahmezustände für AnwohnerInnen, was vielen der Beamten auch persönlich widerstrebt. Wir finden es falsch, dass die Polizei neofaschistische Aufmärsche schützen muss. Wir finden es falsch, mit welcher Härte sie gegen Teile der antifaschistischen Proteste vorgeht. DIE LINKE setzt sich für rechtliche Instrumente ein, um neofaschistische Aufmärsche künftig konsequent zu verbieten. Wir freuen uns, dass sich jüngst auch der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft NRW dieser Forderung angeschlossen hat.

Gegen die pauschale Kriminalisierung von DemonstrantInnen durch den Polizeipräsidenten Hans Schulze, der 1500 Menschen Gewaltbereitschaft unterstellt, verwahren wir uns. Hinter solchen Bemerkungen steckt der Versuch der Spaltung in „gute“ und „böse“ Bündnisse, in „bürgerlichen“ und vermeintlich „radikalen“ Protest. Die große Gefahr von Rechts macht es nötig, dass in Dortmund weiterhin alle antifaschistischen Akteure zusammenstehen und sich gemeinsam den NeofaschistInnen in den Weg stellen. Über Jahre hat sich Dortmund zu einer Hochburg der Neonazis in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Im Stadtteil Dorstfeld hat sich eine starke rechte Szene festgesetzt, die ganze Straßenzüge für sich beansprucht, NachbarInnen einschüchtert und in kurzer Zeit in der Lage ist, an die 100 rechte militante Aktivisten zu mobilisieren. In den Wochen vor dem 3. September hat es in Dortmund fast täglich Übergriffe auf GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen sowie Anschläge auf Kneipen, Parteibüros sowie Autos und Wohnhäuser von engagierten BürgerInnen gegeben. Zunehmend werden auch VertreterInnen der Presse wie vom WDR bei der Arbeit behindert. Die Polizei ließ die Opfer rechter Gewalt allein, ihre Ermittlungsergebnisse gehen gegen Null.

Die Dortmunder Polizei ist aufgerufen, die rechte Gewaltserie der vergangenen Wochen konsequent zu verfolgen.

DIE LINKE hält an Formen des zivilen Ungehorsams wie friedlichen Sitzblockaden fest.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!