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6. Juli 2011 Anna Conrads

Position zur freiwillige Rückkehr von ehemaligen Sicherungsverwahrten in die JVA

Anna Conrads

Die Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW hat den Gesetzentwurf der Landesregierung "Freiwillige Rückkehr von ehemaligen Sicherungsverwahrten in die JVA" am 29. Juni 2011 abgelehnt. Wir dokumentieren die Stellungnahme der innen- und rechtspolitischen Sprecherin, Anna Conrads.


Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir diskutieren hier heute über ein Gesetz, das den bizarren Umstand ermöglichen soll, dass ein ehemaliger Gefangener auf sein Recht auf Freiheit verzichtet und sich freiwillig wieder ins Gefängnis begibt.

Wir hatten dann auf Wunsch der FDP ein Expertengespräch zu dem Thema, in dem die Sachverständigen – sowohl Praktiker aus dem Gefängnis, als auch aus der Forensik noch mal auf einige Probleme hingewiesen haben.

Wir haben uns dann das Gesetz noch einmal genau angeschaut und uns mit Fachleuten kurzgeschlossen und sind zu dem Schluss gekommen, dass der Gesetzentwurf von uns in der vorliegenden Form abgelehnt wird.

Denn dieses Gesetz  ist eine  Mogelpackung: Es gibt vor, Hilfe für ehemalige Sicherungsverwahrte zu sein, die wegen akuter Lebenskrisen, also unzureichender Entlassungsvorbereitungen, Wohnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit, fehlendem Halt draußen, dem Stress mit den Anwohnern, in gefährliche und konfrontative Situationen kommen. Wenn man genauer hinguckt, und das wurde auch im Expertengespräch kritisiert, ist es so aber nicht.

Aber: Der Anwendungsbereich ist viel zu weit gefasst, dem Wortlaut nach können alle SV´ler die Wiederaufnahme beantragen, wenn sie sich für potentiell gefährlich halten und vom Anstaltsleiter diese Auffassung bestätigt wird.

Ich konstruiere ein Beispiel: Ein ehemaliger SV´ler hat 10 Jahre lang in einer Wohnung gelebt, muss aus privaten Gründen umziehen. Gestaltet sich der Umzug und die Wohnungssuche schwierig, kann er auch nach 10 Jahren die Wiederaufnahme verlangen, wenn er vorgibt, gefährlich zu sein. Dann müsste aus dem Vollzug eine geeignete Wohnung organisiert werden.

Das Problem: Wie soll der Anstaltsleiter das prüfen? Aus haftungsrechtlichen Gründen wird er immer der Aufnahme zustimmen und die öffentliche Stimmung – nicht zuletzt geschürt von den Medien und von rechts initiieren Bürgergruppen tut ihr übriges.

Außerdem wäre aus unserer Sicht eine Obergrenze von 6 Monaten, als Definition für den Begriff „vorübergehend“ erforderlich: denn eine zeitliche Beschränkung vermeidet „negative“ Motivation, die dem SV´ler suggeriert, die JVA nicht zu verlassen, weil es bequemer wäre zu bleiben. Außerdem  zwingt eine zeitliche Begrenzung alle Beteiligten zu einem effektiven Übergangsmanagement in dem Lösungen für Wohn- und Arbeitsumfeld gefunden werden.

Das Gesetz würde nur Sinn machen, wenn es nur diejenigen ehemaligen SV´ler erfassen würde, die auf Grund der Urteile des BVerfG und des EGMR ohne Vorlauf entlassen werden mussten, keine Wohnung finden, sich nicht mehr zurechtfindet, sich nirgendwo niederlassen kann, ohne, dass BILD bei ihm vor der Tür steht.

Aber da das Gesetz auch in seiner Begründung das „überragende Schutzbedürfnis der Bevölkerung“ in den Vordergrund stellt, können wir dem GE nicht zustimmen.

Allenfalls die Hilfe für den auf Grund der neueren Rechtsprechung entlassenen Sicherungsverwahrten, der durch die plötzliche Entlassung in eine tatsächliche Lebenskrise kommt, kann Motiv für ein Gesetz dieser Art sein, denn schließlich sind die Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung gerichtlich als menschenrechtswidrig eingestuft worden. Wenn das Gesetz nicht hinsichtlich unserer Kritikpunkte nachgebessert wird, werden wir auch in der 3. Lesung dagegen stimmen.