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12. Juni 2011 Anna Conrads

Offener Brief an Ralf Jäger, Innenminister von NRW

Anna Conrads, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW

In einem Offenen Brief wendet sich Anna Conrads, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW an Ralf Jäger, Innenminister im Land NRW bezüglich der Statistik zu "politisch motivierter Kriminalität".


Offener Brief an Ralf Jäger, Innenminister von NRW

Düsseldorf, den 10. Juni 2011


Sehr geehrter Herr Minister,

Lieber Ralf Jäger,

ich begrüße es, dass Sie am kommenden Mittwoch die Gedenkstätte „Wächter“ einweihen, die an Polizeibeamte und -beamtinnen erinnern soll, die im Dienst ums Leben gekommen sind. Der Einladung zu besagter Veranstaltung zufolge soll die Gedenkstätte vor allem auch an die zwei Polizisten und die eine Polizistin erinnern, die im Jahr 2000 von Michael Berger in der Nähe von Dortmund kaltblütig erschossen wurden.
Wie Sie wissen, haben meine Fraktion und ich die Hintergründe dieses feigen Mordes bereits mehrfach in Anfragen an die Landesregierung thematisiert. Auch dem von Ihnen geführten Ministerium dürfte nicht entgangen sein, dass es sich bei Michael Berger, der sich im Anschluss an die Tat selbst erschoss, um einen überzeugten Neofaschisten gehandelt hat. Nicht zuletzt frohlockte die militante Naziszene bereits kurz nach der Ermordung der beiden Polizisten und der Polizistin über den kaltblütigen Mord. So wurden im gesamten Innenstadtgebiet Dortmunds Aufkleber mit der Aufschrift „3:1 für Deutschland! Berger war ein Freund von uns! Kameradschaft Dortmund“ verklebt.

Zu meinem Erstaunen findet sich die besagte Tat jedoch nicht in den Statistiken des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes über „Politisch motivierte Kriminalität“. Dies ist übrigens nicht nur in diesem Fall so, sondern auch bezüglich des 2005 vom Neofaschisten Sven Kahlin in Dortmund erstochenen Punks Thomas Schulz.

Erlauben Sie mir daher, die Frage aufzuwerfen, was genau Sie bei der Einweihung des Mahnmals den Angehörigen der ermordeten Polizisten sagen wollen? Wie wollen Sie glaubhaft an die Toten erinnern und dabei den Hintergrund der damaligen Tat ausblenden, wie es sowohl die von Ihnen geführte Behörde als auch das Landeskriminalamt bisher tun?
Ich erwarte – übrigens vor allem von einer NRW-Landesregierung, die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gestellt wird – dass der Umstand, dass besagte Morde sich nicht in den Statistiken über neofaschistische Morde wiederfinden, umgehend behoben wird. Um entschlossen gegen Gewalt und rechte Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen vorgehen zu können, müssen die Statistiken des LKA endlich den realen Gegebenheiten angepasst werden. Wer von Neonazis verübte Morde ausspart, verharmlost im Endeffekt die Gefahr, die von dieser Szene für Migranten, Andersdenkende, aber auch Polizisten ausgeht.

Ich fordere Sie daher dringend auf, umzudenken, die realen Hintergründe besagter Taten nicht weiter auszublenden und dieses auch an die Gäste der Gedenkstätteneinweihung, aber vor allem auch die Angehörigen der Ermordeten offen zu kommunizieren

Mit freundlichen Grüßen


Anna Conrads

Sprecherin für Inneres, Justiz, Demokratie, Recht, Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW


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Große Anfrage zum Thema Neonazismus als PDF