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4. Januar 2012

Millionen für den Verfassungsschutz am Parlament vorbei – und alles muss geheim bleiben

Mit drei Kleinen Anfragen wollte die Fraktion DIE LINKE wissen, wie viele V-Leute der NRW-Verfassungsschutz eigentlich in der rechten Szene hat, welchen Nutzen ihr Einsatz tatsächlich bringt und wie viel Steuermittel die Landesregierung dafür ausgibt. So sollte Licht ins Dunkel der skandalösen Zusammenarbeit von Geheimdienst und Neonazis gebracht werden.

Doch die Antworten, zu denen die Landesregierung verpflichtet ist, fallen mehr als enttäuschend aus: Auf mehr als ein Drittel der Fragen der Abgeordneten Anna Conrads und Rüdiger Sagel verweigerte Innenminister Ralf Jäger glatt die Antwort: Alles „geheim“, teils „zum Schutze der V-Leute“ selbst, die doch im Mittelpunkt des aktuellen Geheimdienstskandals stehen. Auch auf die anderen Fragen gab es überwiegend Plattitüden und ausweichende Antworten. Für die Abgeordneten Sagel und Conrads ist das ein „eklatantes demokratisches Defizit“.

 „Gerade angesichts des jüngsten Geheimdienstskandals ist es doch mehr denn je geboten, Transparenz herzustellen über die Arbeit des Verfassungsschutzes und die Steuergelder, die für ihn verwendet werden“, erklärten die beiden Parlamentarier. Deshalb wollten sie in der Kleinen Anfrage Nr. 1296 unter dem Motto „Verfassungsschutz als Herzschrittmacher der NPD?“ wissen, wie hoch der Personalaufwand des Verfassungsschutzes (VS) in NRW an der Beobachtung der NPD ist, wie viele V-Leute der VS in der NPD hat und wie viel Geld seit 2001 an sie geflossen ist, außerdem wie hoch der Prozentsatz von V-Leuten in der Führungsebene der NRW-NPD ist und wie viel Geld für Informationen gezahlt und dann von der NPD weiter verwendet wurde.

„Zum Schutze der V-Leute“ bleibt alles geheim

Darauf wusste Innenminister Ralf Jäger (SPD), der im Landtag Aufklärung versprochen hatte, nur eine Antwort: „(…) Zum Schutze der V-Leute einerseits, wie auch zur Sicherung der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde andererseits sind die Umstände des Einsatzes der V-Leute geheim zu halten.“ Und weiter erklärte er: „Die personellen und finanziellen Mittel, die für Informationserhebung in der rechtsextremistischen Szene eingesetzt werden, sind im Wirtschaftsplan der Verfassungsschutzbehörde veranschlagt. Dieser ist, wie sich aus § 23 VSG NRW ergibt, geheim zu halten. (…)“ Alles geheim also, nichts war’s mit Aufklärung. Und was noch schlimmer ist: „So werden Millionen für den Verfassungsschutz einfach am Parlament vorbei bewilligt“, beklagt Rüdiger Sagel, der finanzpolitische Experte der Fraktion DIE LINKE.

Recht pauschal sind auch die Antworten des Ministers auf die Kleine Anfrage Nr. 1295 von Sagel und Conrads („Organisiert der Verfassungsschutz rechtsextremistischen Terror?“).
Frage DIE LINKE: „Wie viele der Informanten des Verfassungsschutzes sind direkt in der rechten Szene angeworben worden?“
Antwort Jäger: „Die V-Leute, die der Verfassungsschutzbehörde NRW Informationen über die rechtsextremistische Szene liefern, sind aus dieser heraus angeworben und verpflichtet worden.“
Das kann nur heißen, dass sämtliche V-Leute in NRW aktive Nazis sind, die direkt angeworben wurden. Nur wird es so nicht gesagt.

Auf die Fragen „Wie viele Personen, die Geld vom Verfassungsschutz für Informationen über die rechte Szene erhalten haben, waren selbst an Straftaten beteiligt?“ und „Wie stellt die Landesregierung sicher, dass keine Steuergelder in die Planung von Straftaten fließen?“ heißt es aus dem Ministerium pauschal: „Die Verfassungsschutzbehörde arbeitet nicht mit Personen zusammen, von denen ihr bekannt ist, dass sie Verbrechen planen oder solche begangen haben. (…) Wenn V-Leute Straftaten begehen, werden diese strafrechtlich verfolgt.“

„Da verschweigt der Innenminister ganz klar selbst bereits bekannte Fälle auch aus jüngster Zeit“, meint dagegen Anna Conrads, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Nach ihren Worten hat noch 2007 beispielsweise das beachtliche Vorstrafenregister des Neonazis Sebastian S. einer Zusammenarbeit mit der Behörde offensichtlich nicht im Wege gestanden. Der Lünener V-Mann war wegen Körperverletzung vorbestraft, handelte mit Waffen und Drogen. Wie die Telefonüberwachung des 27-jährigen Kriminellen ergab, wurde S. sogar von einem Mitarbeiter des NRW-Verfassungsschutzes vor polizeilichen Ermittlungen gewarnt. „Wenn das keine Zusammenarbeit des Geheimdienstes mit kriminellen Neonazis ist, dann weiß ich auch nicht“, sagte Conrads.

Niemand kann sagen, was V-Leute wirklich nutzen

Mit der Kleinen Anfrage Nr. 1293 („Effizienz des Verfassungsschutzes“) wollten Sagel und Conrads wissen, wie die Landesregierung das Verhältnis zwischen aufgewandten Mitteln und dem Erfolg der Tätigkeit des VS bei der NPD bewertet. Darauf antwortet die Regierung mit Plattitüden wie „ Die Verfassungsschutzbehörde nimmt ihre gesetzlich zugewiesene Aufgabe als Frühwarnsystem vor den Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung wahr“ oder „Die Nachfrage nach Vorträgen und Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus ist groß“. Aber konkret: „Wie viele rechtsradikal motivierte Straftaten konnten mit Hilfe von V-Mann-Informationen aufgeklärt werden?“, fragt DIE LINKE. Das kann der Innenminister auch nicht beantworten, „da die Informationen des Verfassungsschutzes in der Regel nur ein Baustein der Aufklärungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden ist“.DIE LINKE fordert nach wie vor, die Verfehlungen des Verfassungsschutzes öffentlich und transparent aufzuarbeiten. Dazu gehört auch, die Verstrickungen des Geheimdienstes in die rechte Szene ehrlich aufzuzeigen und Konsequenzen daraus zu ziehen, meinen Rüdiger Sagel und Anna Conrads: „Der wichtigste Schluss bleibt das Abschalten der V-Leute in der Naziszene.“