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16. Oktober 2011

Gemeinwohl- statt Renditeorientierung in der Wohnungswirtschaft

So lässt sich die grundsätzliche Positionierung der rund 35 Fachleute aus Mieter- und Erwerbslosenorganisationen, Forschungsinstituten und den Kommunen zusammenfassen, die sich am 14.10.2011 in Essen anlässlich eine Veranstaltungsreihe der Landtagsfraktion der LINKEN in Kooperation mit dem Kommunalpolitischen Forum und der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW zum Thema „Finanzinvestoren in der Wohnungswirtschaft“ berieten.

Ali Atalan, wohnungspolitische Sprecher und Mitglied in der Enquete-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“ für die Fraktion Die LINKE. im Landtag NRW, bekräftigte die im Landtagswahlprogramm der LINKEN getroffenen Aussagen: „Wohnen ist ein Menschenrecht. Ohne eine gute und sichere Wohnung, die den heutigen Anforderungen genügt und bezahlbar ist, gibt es kein menschenwürdiges Leben.“ Atalan erklärte: „Deshalb ist eine öffentliche und soziale Wohnungspolitik eine unverzichtbare Pflicht und Kernaufgabe des Staates, für die wir uns als LINKE im Landtag NRW einsetzen“.

Daran anknüpfend analysierte Dr. Stefan Hochstadt – Sachverständiger der LINKEN in der Enquete-Kommission, deren Einrichtung auf den rot-grünen Koalitionsvertrag in NRW zurückgeht –: „eine neoliberale Politik der Deregulierung und der Ökonomisierung grundlegender Lebensvollzüge bei gleichzeitiger Aufgabe des staatlichen Gestaltungsanspruchs führte nicht nur zum breiten Verkauf von Wohnungen, in denen Menschen wohnen, sondern letztlich auch zur Krise, die nun erneut auf Kosten der breiten Mehrheit der Bevölkerung überwunden werden soll“. Ein entscheidender Wegbereiter der Verkäufe von etwa 350.000 Wohnungen der öffentlicher Hand und Industrie an Finanzinvestoren in NRW seit 1999 war jedoch auch die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die durch zahlreiche Gesetzesänderungen den Handlungs- und Renditespielraum von Finanzinvestoren durch Erleichterung von Unternehmensverkäufen, Hedge-Fonds und Verbriefungen in Deutschland erhöhte.

Die eigentlichen Kernpunkte der Geschäftspolitik von sog. Private Equity-Unterneh-men in der Wohnungswirtschaft fassten die ReferentInnen der LINKEN für die En-quete-Kommission, Gisela Emons und Daniel Zimmermann, wie folgt zusammen:

Bei ihren Geschäften achten die Investoren besonders darauf, haftungs- und schuldrechtlich nicht belangt werden zu können, gleichzeitig aber den Renditefluss auf ihr eingesetztes Kapital abzusichern. Besonders die Praktiken der Übertragung der zum Kauf des Wohnungsunternehmens aufgenommenen Schulden auf das Wohnungsunternehmen selbst, stellen hier einen kritikwürdigen Punkt dar.

Die Investoren streben insgesamt meist eine umfassende Kontrolle über die Ge-schäftsführung des Wohnungsunternehmens an, um dieses „aktiv managen“ zu können. Das bedeutet konkret u.a. eine radikale Kostensenkung, die oftmals zu einer drastischen Vernachlässigung der Wohnungsbestände führt.

Hinsichtlich der Bestandsinvestitionen liegen kommunale Wohnungsunternehmen in der Regel über dem Durchschnittswert von 12,- Euro pro Quadratmeter pro Jahr und finanzmarktgetriebene Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Annington und Gagfah oft weit darunter. Hans-Peter Leymann-Kurtz, der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Rat der Stadt Essen hob in diesem Zusammenhang die Leistungen des kommunalen Wohnungsunternehmens ALLBAU für die Essener Wohnungswirtschaft hervor.

Karin Schnittker von der Mietergemeinschaft Essen schilderte die Konsequenzen der Geschäftspolitik von Finanzinvestoren für die Wohnungsbestände und Mieter/innen in Essen. Die Mieter/innen setzen sich dort engagiert zur Wehr und haben die sog. „Katernberger Erklärung“ beschlossen, deren tatkräftige Unterstützung sie von der LINKEN erhoffen.

Zum Abschluss stellte Dr. Stefan Hochstadt Kernpunkte eines Handlungskonzeptes der Landtagsfraktion der LINKEN vor, das jedoch noch detailliert auszuarbeiten ist: Handlungsfelder sind dabei:

  1. die Abwehr weiterer Wohnungsprivatisierungen und Deregulierungen im Miet- und Planungsrecht,
  2. Die Kontrolle von unten durch Stärkung von MieterInnenorganisationen durch z.B. kollektives Klagerecht,
  3. Die Kontrolle von oben durch einen TÜV für Wohnungsbestände, die Stärkung der kommunalen Wohnungsaufsicht u.a. sowie
  4. Demokratische Transformation der Wohnungswirtschaft mit Hilfe eines „Rettungsschirms“ für Mietwohnungen und eine „Neue Gemeinnützigkeit“ in Verbindung mit einem Netzwerk nicht-profitorientierter Wohnungsunternehmen.


Hochstadt resümiert: „Da Wohnen ein Grundrecht und keine Ware ist, kann es nicht bestimmend über den Markt geregelt werden, der nur kaufkräftige Bedarfe erkennt. Die Wohnungswirtschaft der Finanzinvestoren ist abzulösen durch eine nachhaltig demokratische und gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft, in der „Wohnen“ aus der Logik von kapitalistischen Markt- und Renditeerwägungen herausgelöst und zu einem Faktor der nachhaltigen Daseinsvorsorge für breite Bevölkerungsschichten wird.

Ali Atalan sicherte den Mieterorganisationen und kommunalen Akteur/innen seine Unterstützung zu. „Wir erarbeiten in Kürze ein Positionspapier der Fraktion zum Umgang mit Finanzinvestoren in der Wohnungswirtschaft und werden ein detaillierte Handlungskonzept entwickeln und im Landtag einbringen.

Programm der Konferenz: hier

Bericht zum ersten Workshop "Die Linke und die neuen Wohungsfragen"