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13. Mai 2011

Erklärung zur Kriminalisierung antifaschistischen Engagements

Am Abend des 19. Februar 2011 stürmte die Polizei das Info-und Pressebüro des Bündnisses Dresden Nazifrei.Im April und Mai folgten großangelegte Razzien in Sachsen und Brandenburg. 20 Wohnungen von Antifaschist_innen wurden durchsucht. Grundlage dafür ist ein Ermittlungsverfahren nach §129 des Strafgesetzbuches.

17 Personen werden darin beschuldigt, kriminelle Vereinigungen gebildet zu haben, diefür Angriffe auf Nazis sowie Sachbeschädigungen verantwortlich sein sollen. Zu den Durchsuchungenmobilisierte die Polizei Großaufgebote und zum Teil schwer bewaffnete Spezialeinsatzkommandos. Dasmartialischen Auftreten soll linke und antifaschistische Strukturen einschüchtern und in der Öffentlichkeit deren vermeintliche Gefährlichkeit vor Augen führen. Großzügige (Vorab-)Informationen für JournalistInnen, Bildmaterial von verletzten Nazis und Interviews von LKA-Chef und Innenminister über dieunterschätzte „Gefahr von links“ taten das Übrige für die erwünschten Schlagzeilen.

Diese Ermittlungen sind Ausdruck eines politischen Programms, dass die schwarz-gelbe RegierungSachsens seit 2009 immer intensiver verfolgt. Auf der Grundlage einer Extremismus-Doktrin versuchen CDU und FDP antifaschistisches Engagement zu diskreditieren.

In einem Interview sprach Innenministers Markus Ulbig (CDU) vom Anstieg „linksextremer Gewalttaten“,von 89 im Jahr 2009 auf 130 im Folgejahr. Woraus der plötzliche Zuwachs resultiert, erörterte er nicht. Erberuht vor allem auf Großereignissen, wie den Protesten gegen die Naziaufmärsche am 13. und 14. Februar2010 in Verbindung mit dem weit gefassten Gewaltbegriff der Statistik zur "Politisch motivierten Kriminalität". So fällt hierunter bereits "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ -also zum Beispiel das aktive Stemmen gegen den Boden bei Räumung einer Sitzblockade.

Nach den auf Bundes-und Landesebene forcierten Warnungen vor dem unterschätzten „Linksextremismus“mussten nun endlich "Tatsachen" aus dem Hut gezaubert werden. Dieses Ermittlungsverfahren mit seinermedialen Begleitung soll Argumente für eine repressive Politik gegen linke Strukturen liefern. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA) bemühen sich sehr darum, das öffentliche Bild der„linksextremen Schläger“ (SäZ) zu untermauern. Die Ermittlungen indes basieren auf einer fragwürdigenGrundlage. Der § 129 ist ein Gesinnungs-und Ermittlungsparagraf. Er wird nahezu ausschließlich impolitischen Bereich angewendet, jedoch nur ausnahmsweise zur Anklage oder gar Verurteilung gebracht. Ergibt den Behörden weitreichende Instrumente an die Hand, etwa die Überwachung von Telekommunikation,Observationen oder den Einsatz verdeckter Ermittler. Dieses Repertoire kann großzügig auf nahezu beliebigePersonenzusammenhänge angewendet werden. Es genügt ein geringer Anfangsverdacht. Im vorliegendenFall ist dieser mit Telefonaten gegeben, in denen über Veranstaltungen von Nazis informiert wurde.Zusammenhänge zwischen den Beschuldigten und den vorgeworfenen Straftaten bleiben nebulös. Ganz realhingegen sind die empfindlichen Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen und der materielle Schaden inFolge der Durchsuchungen, die neben vielen Privatwohnungen auch das „Haus der Begegnung“ betraf, indem sich im Februar das Büro von „Dresden Nazifrei“ befand.

"Das ist sächsische Demokratie." (Wolfgang Thierse)

Politiker_innen oppositioneller, demokratischer Parteien von SPD über Bündnis ´90/Grünen bis hin zurLinkspartei wird immer wieder aufgrund ihres Engagements gegen Nazis zweifelhafte Verfassungstreueunterstellt. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte wegen der Teilnahme an Blockaden des Nazigroßaufmarschs gegen den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei André Hahn und sprang auch für dieStrafanzeige gegen Wolfgang Thierse (Bundestagsvizepräsident, SPD) aufgrund seiner Äußerungen zumZustand der sächsischen Demokratie in die Bresche. Zivilgesellschaftliche Initiativen und Antidiskriminierungsvereine werden vom Freistaat immer stärker kontrolliert und an die Leine genommen.Sie sollen sich per Unterschrift zur FdGO bekennen und überprüfen, ob ihre Partner_innen „Extremisten“sind. Hier wird auf Methoden autoritärer Regime zurückgegriffen. Schlussendlich wird repressiv gegen dieaußerparlamentarische Linke und Antifas vorgegangen.

Nicht mit uns!

Antifaschistisches Engagement ist und bleibt notwendig, solange diskriminierende und autoritäre Zuständeexistieren. Die Gleichsetzung von Links und Rechts, die mit der Extremismus-Doktrin behauptet wird,entbehrt jeder Grundlage. Rechte Gewalttaten auf Leib und Leben von Menschen, Naziveranstaltungen unddiskriminierende Einstellungen sind das Problem, dem es zu begegnen gilt. Wir werden uns trotz staatlicherDiffamierung, Gängelung und Kriminalisierungskampagnen auch in Zukunft gegen Nazis und rechte Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft einsetzen. Wir werden auch in Zukunft unsere Demonstrations¬und Meinungsfreiheit wahrnehmen, um ohne staatliche Reglementierung gegen Nazis zu protestieren. ZivilerUngehorsam ist dafür notwendig und legitim. Wir solidarisieren uns mit Menschen, Vereinen und Initiativendie sich für eine offene, faire und gleichberechtigte Gesellschaft einsetzen.


16. Mai 2011 – Kampagne zum Zustand sächsischer Demokratie

Informationen unter: www.sachsens-demokratie.net

Wenn ihr diese Erklärung unterstützen wollt, schreibt an: unterstuetzen@sachsens-demokratie.net