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9. April 2011 Özlem Alev Demirel

Bericht vom Workshop zur Zukunft des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in NRW

Am Freitag, den 8. April, führte die Landtagsfraktion DIE LINKE. NRW gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) NRW und dem Kommunalpolitischen Forum (kopofo) NRW e.V. im Landtag in Düsseldorf einen Workshop zur Zukunft des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in NRW durch. Angereist waren ca. 60 TeilnehmerInnen aus ganz NRW.

Nach einem Grußwort von Ulrike Detjen, die die TeilnehmerInnen im Namen von RLS NRW und kopofo NRW e.V. begrüßte, erläuterte Özlem Alev Demirel, woh-nungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, zum Einstieg die wohnungspoliti-schen Positionen der Fraktion. Sie umriss darüber hinaus die Initiativen, die die Fraktion in den letzten 9 Monaten im Landtag ergriffen hatte: darunter bspw. einen Antrag zur Verhinderung der drohenden Privatisierung der ca. 130.000 THS/Evonik-Wohnungen oder auch einen Antrag „LEG-Überrumpelung bei Erhöhungen der Miete stoppen“. Des Weiteren arbeite die Fraktion aktiv in der Enquete-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“ mit.

Knut Unger vom Mieterverein Witten referierte im Anschluss über das Thema des Workshops „Die Linke und die neuen Wohnungsfragen“. Dabei ging er insbesondere auf die Chronologie der Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt in den letzten knapp 150 Jahren ein. Er zeigte auf, wie die Situation sich wellenförmig zeitweise verbesserte und wieder verschlechterte und welche Rolle bei den Verbesserungen die selbstorganisierten MieterInnenstrukturen und die politisch linken Kräfte spielten (und spielen).

Nach einer ersten Diskussion über die Vor-Ort-Erfahrungen der TeilnehmerInnen und einer kurzen Mittagspause, referierte Özlem Alev Demirel über die aktuelle Situation der Wohnraumförderung. Sie erläuterte dabei die prekäre Situation der Wohnraumförderung in NRW, die sich aus der Vollintegration des Wohnungsbauvermögens der ehemaligen Wohnungsbauförderungsanstalt in die NRW.Bank ergeben habe. Dadurch entfielen heute jegliche Steuerungsmöglichkeiten für die Politik. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Mittel der Wohnraumförderung (ca. 19 Mrd. Euro) für andere Zwecke herhalten oder zur Querfinanzierung missbraucht würden. Eine so geartete Enteignung von Generationen von BürgerInnen, die in die Wohnraumförderung mit ihren Zinsen eingezahlt haben, müsse verhindert werden. Demirel kritisierte die  inkonsequente Haltung der rot-grünen Landesregierung zu Fragen der Wohnraumförderung und Wohnungsprivatisierung im Vergleich zu ihren Positionierungen aus Oppositionszeiten. Damals wurde noch 1 Milliarde für die Wohnraumförderung gefor-dert, jetzt seien lediglich 800 Millionen hierfür vorgesehen. Während die Anti-Privatisierungskampagnen der LEG-Wohnungen noch von SPD und Grünen mitgetragen wurden, bringen sie nun die Privatisierung der rund 130.000 THS- und Evonik-Wohnungen sowie den Evonik-Börsengang auf den Weg. Die Erfahrung mit privaten Finanzinvestoren in NRW zeigten, dass diese Politik unverantwortlich und gegen die Interessen der MieterInnen gerichtet sei.     

Im letzten Referat des Tages erläuterte Jan Kuhnert, Kommunal- und Unternehmensberater aus Hannover sowie Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Ge-nossenschaftsgedankens, seine Kritik an der bisherigen Praxis der sozialen Wohnungsbauförderung. Ein Paradoxon sei, dass nach Ablauf der Bindungsfristen in der Regel die Mieten erhöht werden, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Wohnungen schuldenfrei sind. Das gesamte Fördersystem sei zum Teil anachronistisch und nicht nachhaltig bzw. nicht auf Dauer ausgerichtet, weil den im Konzept angelegten Mietsteigerungen keine adäquaten Einkommenssteigerungen entsprechen. Kuhnerts führte auch seinen Gedanke einer ‚neuen Wohnungsgemeinnützigkeit‘ aus, die mit dauerhafter Zweckbindung und Mietpreisbindung verknüpft ist und der Mietermitbestimmung, Selbstverwaltung und Eigenleistungen zur Senkung der Mietkosten eine hohe Bedeutung zuspricht. Bezogen auf kommunale Wohnungsunternehmen brachte er die Forderung ein, diese in öffentlich-rechtliche Stiftungen umzuwandeln, um sie ausgestattet mit einer entsprechenden Satzung vor Veräußerungen zu schützen. Weiterhin ging er auf das Thema der „Schrottimmobilien“ ein, In diesem Zusammenhang müssten Baurecht und baupolizeiliches Recht im Hinblick auf das Auffangen von Konkurs- bzw. Schrottimmobilien überprüft bzw. abgestimmt werden. Wichtig sei, dass die öffentliche Hand zeitnah eingreife, bevor die Schuldenbremse greife.

Nach einem abschließenden Austausch verabschiedeten sich die TeilnehmerInnen nicht ohne weitere Schritte in der wohnungspolitischen Diskussion zu vereinbaren. Dazu gehören u.a. eine Fortführung der Diskussion im Rahmen weiterer Workshops sowie ein stärker vernetztes und abgesprochenes Vorgehen der Beteiligten. Auf der Tagesordnung für die nächste Zeit stehen dabei die drei strategischen Themenkomplexe der Demokratiefrage/MieterInnenstärkung, der öffentlichen bzw. kommunalen Wohnungsunternehmen und der Schrottimmobilien der Finanzinvestoren, die im Zusammenhang behandelt werden sollten.